Verkörperte Digitale Technologien in öffentlichen Räumen – der Sonderforschungsbereich Hybrid Societies nähert sich diesem Thema interdisziplinär und fakultätenübergreifend mit grundlagenorientierter Forschung. Am 10. November 2021 begegnete diese wissenschaftliche Perspektive im Museum Gunzenhauser in Chemnitz sowohl Literatur als auch Kunst und Musik.
Die Ausstellung ubuntu – the other me des in Chemnitz geborenen Digital-Künstlers Simon Weckert bot den außergewöhnlichen Rahmen für einen breit aufgefächerten Themenabend zu digitalen Technologien im Alltag. Zahlreiche Impulse zum Leben in einer Zukunft allgegenwärtiger digitaler Technologien lieferte die Münchner Autorin Theresa Hannig mit einer Lesung aus ihrem preisgekrönten Roman „Die Optimierer“. Impulse, die in der anschließenden Podiumsdiskussion aufgegriffen wurden. Mit der Autorin und Moderator Ingmar Rothe, Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Sonderforschungsbereich, diskutierten: Simon Weckert, Dagmar Gesman-Nuissl, Professorin für Privatrecht und das Recht geistigen Eigentums an der TU Chemnitz und Teilprojektleiterin im SFB, sowie Heiko Weckbrodt, freier Journalist aus Dresden. Vor dem Hintergrund der zu diesem Zeitpunkt laufenden Koalitionsverhandlungen wurde durchaus kontrovers diskutiert – zum Beispiel die Frage, wie viel Regulierung eine zukunftsträchtige Digitalstrategie vertrage bzw. benötige. Simon Weckert, der in der Vergangenheit u.a. mit seinen google-Hacks auf sich aufmerksam machte, schloss die Diskussion mit einem Wunsch, den ähnlich schon Isaac Asimov formulierte: Die Prämisse sollte sein, dass der Computer dem Menschen dient und nicht anders herum.
Bis hierhin war schon deutlich geworden, welche Gefahren, aber auch welche Potenziale in verkörperten digitalen Technologien liegen. SFB-Mitglied Bertolt Meyer, Professor für Arbeits-, Organisations- und Wirtschaftspsychologie und DJ, zeigte dieses Potenzial in einer Thought-Controlled Music Performance, die den Ausstellungsraum binnen kurzem in einen atmosphärischen Club transformierte. Zwar wurden die rund 30 Gäste, bedingt durch die Hygieneauflagen, gezwungen Platz zu behalten. Den meisten fiel das augenscheinlich jedoch schwer angesichts der beeindruckenden Verschmelzung von Mensch und Maschine: Meyer kann per Interface die bionische Prothese, die seinen linken Unterarm ersetzt, direkt an vorwiegend analoge Syntheziser anschließen. Je nach dem, an welchen Port am Syntheziser das Interface (Syn Limb) gekoppelt ist, kann er Sound-Parameter direkt verändern. Meyer kontrolliert, so sagt er, seine Sounds „ohne den Umweg über den Muskel“ nehmen zu müssen.
In der Verbindung der vier Teile des Abends – Ausstellung, Lesung, (Panel-)Diskussion, Music Performance – zeigen sich neben dem Potenzial digitaler Technologien auch die Möglichkeiten zeitgemäßer Wissenschaftskommunikation. Das Museum Gunzenhauser bietet einen Raum, in dem die Forscherinnen und Forscher der Technischen Universität und die Stadtöffentlichkeit einander auf besondere Weise begegnen und ins Gespräch verwickeln können. Größere (maskierte) Menschenansammlungen wurden sowohl nach der Diskussion am Tisch von Theresa Hannig als auch nach der Performance am Pult von Bertolt Meyer gesichtet. Dem Vernehmen nach wurde dabei nicht nur diskutiert, es wurden auch Ideen für weitere Kooperationen entwickelt.
Dass sich das Format bewähren könnte, zeigte sich schon vor dem eigentlichen Abend. Bereits zwei Tage zuvor waren die verfügbaren Plätze reserviert, so dass zahlreiche Anfragen abgelehnt werden mussten. Viele der Abgewiesenen haben jedoch den eingerichteten Live-Stream verfolgt, der auch als Aufzeichnung zur Verfügung steht.
Der Themenabend gehört auch zum Programm der Kampagne „Eine Uni, ein Buch“, für die sich die TU 2021 mit ihrem Konzept „Chemnitz liest Asimov“ erfolgreich beworben hatte und vom Stifterverband gefördert wird. Im Rahmen dieses Programms wird es im nächsten Jahr weitere Lesungen mit zeitgenössischen Science-Fiction Autor:innen geben.
Fotos: Larissa Flade und Ana Henneke